„Gypsies“ - Roma in Europa


Rolf Bauerdick, Jahrgang 1957, gestorben 2018, wohnte im westfälischen Hiddingsel, studierte Literaturwissenschaft und Theologie in Münster und unterrichtete einige Jahre als Lehrer im Ruhrgebiet, bevor er sich Mitte der achtziger Jahre dem Journalismus zuwandte. Er schrieb und fotografiertr freiberuflich für Magazine im In- und Ausland. Seine Text- und Bildreportagen erschienen u.a. im Stern, Natur, Brigitte, Spiegel-Reporter, El pais oder Playboy. 2008 wurde sein Foto einer obdachlosen Mutter aus der Mongolei zum deutschen PR-Foto des Jahres gewählt.

Zu dem Fotoprojekt „Roma in Europa“

Über einen Zeitraum von 15 Jahren hat Rolf Bauerdick an einer umfassenden Fotodokumentation über das Leben der Roma in Europa gearbeitet - in Deutschland, Albanien, Makedonien, Kosovo, Ungarn, Tschechien, Slowakische Republik, Rumänien, Bulgarien, Frankreich, Spanien, Portugal und der Ukraine. Dabei entstanden rund 15.000 Fotografien, kraftvolle und lebenspralle Bilder, die von großer Sympathie und menschlicher Anteilnahme für das Schicksal der Zigeuner zeugen. Ungeschminkt und drastisch führt Bauerdick nicht nur die katastrophalen Lebensbedingungen der Roma vor Augen, er erzählt auch von Sehnsüchten und Träumen und dem geheimnisvollen Zauber, der dieses Volk seit alters her umgibt. Ob in den tristen Ghettos der rumänischen Kalderasch, in den Kneipen der ungarischen Olah, ob bei den Wallfahrten der französischen Gitans oder den Fiestas der spanischen Kale, stets sprechen Bauerdicks Fotos von der Würde und dem Stolz von Menschen, die in Europa seit Jahrhunderten ausgegrenzt und diskriminiert werden.

Das Leben der rund acht Millionen europäischen Roma hat vor allem in der postsozialistischen Zeit eine dramatische Zuspitzung erfahren. Trotz unverkennbarer Demokratisierungsprozesse sind die Zigeuner in den ost- und südosteuropäischen Ländern von der wirtschaftlichen Entwicklung ausgeschlossen. Ob in der ungarischen Theißebene, in den Dörfern im Osten der Slowakei, in Rumänien und Bulgarien, ob in der größten Roma-Siedlung im makedonischen Shutka aber auch in den Vorstädten von Madrid, oft erreicht die Arbeitslosenquote mehr als 90 Prozent.

Bei seinen Reisen in Hunderte von Roma-Siedlungen wurde offenkundig, dass die Integration der ethnischen Minderheit der Roma viele Länder vor extreme Schwierigkeiten stellt. Die sozialen und finanziellen Folgen der Massenarbeitslosigkeit stellen eine große Herausforderung dar ebenso wie die politische Diskriminierung und der kulturelle Rassismus. Ein eklatantes Beispiel sozialer Verelendung: in der rumänischen Grenzstadt Oradea leben Dutzende von kinderreichen Familien auf der städtischen Müllkippe. Hier ist Armut weit mehr als der Verlust von Arbeit und Wohnung sowie der Mangel an Lebensmitteln, medizinischer Versorgung und Bildungsmöglichkeiten für die Kinder. Hier bedeutet Armut den Verlust jeglicher Hoffnung auf eine Lebensperspektive.

Bauerdicks Fotografien bekunden eine tiefe Sympathie und Anteilnahme für das Schicksal eines Volkes, dass oft nur an den Randzonen der Gesellschaft geduldet wird. Einseitige Schuldzuweisungen an die Nicht-Roma in den jeweiligen Ländern jedoch sind kaum hilfreich die Ausgrenzung zu beenden. Zu einer gelungenen Integration der Roma, die die kulturellen Traditionen und Wurzeln der Menschen nicht zerstören will, bedarf es daher eines Willens zum gegenseitigen Verstehen.